• Mehr als 7 Schiffsunfälle weltweit pro Tag, Totalverluste werden aber seltener 
  • Trend zu Riesenschiffen steigert das Risiko
  • COVID-19: verzögerter Besatzungswechsel schafft Sicherheitsprobleme

Die internationale Schifffahrtsbranche hat im vergangenen Jahr ihren positiven Trend zu mehr Sicherheit fortgesetzt. Dennoch waren 2020 insgesamt 2.703 Schiffe in einen Unfall verwickelt, 49 große Schiffe gingen weltweit verloren. Maritimer Unfall-Hotspot ist die Region Südchina, Indochina, Indonesien und Philippinen, die ein Drittel aller gesunkenen Großschiffe verzeichnete. Dies geht aus der aktuellen Schifffahrtstudie hervor, die Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) veröffentlichte. Probleme für die Zukunft der Schifffahrt sieht die Studie vor allem durch Besatzungsmangel, Cyberattacken, Piraterie und den Trend zu immer größeren Schiffen, mit denen auch die Risiken wachsen.

„Die Schifffahrtsindustrie hat sich während der Corona-Pandemie als widerstandsfähig erwiesen, wie das starke Handelsvolumen und die aktuell rasche Erholung beweisen“, erklärt Stefanie Thiem, Hauptbevollmächtigte der AGCS in Österreich. Die Zahl der Unglücksfälle ist im 10-Jahresvergleich um rund 50 Prozent zurückgegangen und die Totalschäden befinden sich auf einem historischen Tiefstand. Dennoch gibt es schwierige Aufgaben zu bewältigen: „Die anhaltende Besatzungskrise, zunehmende Probleme mit Großschiffen, wachsende Besorgnis über Verzögerungen und Unterbrechungen in der Lieferkette sowie die Einhaltung von Umweltauflagen stellen die Reeder vor große Herausforderungen im Risikomanagement“, so Thiem.

Containerbrände, Piraten und Cyberattacken  
Maschinenschäden waren im vergangenen Jahr mit 40 Prozent die Hauptursache für Schiffsunfälle weltweit, aber auch Schäden durch Brände an Bord haben zuletzt deutlich zugenommen und ein Viertel aller Totalschäden von Schiffen verursacht. „Brände beginnen oft in Containern, was die Folge von Fehldeklaration gefährlicher Ladung wie Chemikalien oder Batterien sein kann“, heißt es in der AGCS-Studie. Auch der Verlust von Containern auf See schnellte im Vorjahr in die Höhe (über 3.000), wodurch nicht nur Lieferketten unterbrochen wurden, sondern auch ein erhöhtes Verschmutzungs- und Navigationsrisiko entstand. Zudem boomte die Piraterie, insbesondere im Golf von Guinea: Bei 22 Vorfällen wurden 130 Besatzungsmitglieder entführt, so viele wie nie zuvor. Und schließlich wächst auch die Angst vor Cyberangriffen, von denen die vier größten Schifffahrtsunternehmen der Welt bereits alle betroffen waren. Mögliche künftige Attacken könnten kritische maritime Infrastruktur, etwa einen wichtigen Hafen oder eine Schifffahrtsroute, betreffen.
Größere Schiffe – größere Risiken

„Weil versucht wird, den Treibstoff so effizient wie möglich zu nutzen, werden Schiffe immer größer. Die durchschnittliche Kapazität von Containerschiffen hat sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt, während die Kapazität der Häfen durchwegs unverändert blieb“, berichtet Thiem. Dadurch vergrößerte sich die Unfallgefahr, ebenso wie Lieferverzögerungen kaum vermeidbar wurden. Im Juni 2021 gab es schätzungsweise eine Rekordzahl von 300 Frachtschiffen, die auf die Einfahrt in überfüllte Häfen warteten. Dramatische Schockwellen für die Weltwirtschaft verursachte schließlich die Blockierung des Suezkanals durch das riesige Containerschiff „Ever Given“ im vergangenen März. 

Die unmittelbaren Auswirkungen von COVID-19 auf den Seehandel waren indes geringer als zunächst befürchtet. Problematisch ist allerdings die Situation der Schiffsbesatzungen geworden. Zeitweilig befanden sich rund 200.000 Seeleute an Bord von Schiffen, die aufgrund der COVID-19-Beschränkungen nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten. Die Folge in solchen Situationen ist mentale Ermüdung, die zu Sicherheitsproblemen führen kann. Auch neue Crew-Mitglieder sind angesichts dieser Bedingungen kaum zu finden, was der internationalen Schifffahrt erhebliche Probleme bereiten könnte, wenn der internationale Handel wieder anzieht.

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Dr. Thomas Gimesi

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